Montag, 8. Oktober 2012

Große Reden in Tixán


Duschen sind wirklich überbewertet! Es hat so viel mehr Stil, einen Topf Wasser warm zu machen und sich mit einem kleinen Messbecher zu „duschen“ – glaubt es mir, oder überzeugt Euch selbst :)

Am 02.09. ging es nun endlich in die Gemeinden! Alle waren ganz aufgeregt, was für ein großer Tag!
Nach anderthalb Stunden Fahrt von Riobamba erreichte ich Tixán.
Zu meinem Dorf:
Tixán ist die größte Comunidad (Gemeinde) mit geschätzt 1000 Einwohnern. Ich wohne in einer, für diese Gegend, wohlhabenden Familie, mit einer Dusche, Waschmaschine, Fernseher und Autos, wobei sie mit letzterem ihr Geld verdienen.
Meine Mutter heißt Alexandra, sie arbeitet im Umland und verkauft Kleidung, Cremes, und andere Hygieneartikel. Ich schätze sie auf 32 Jahre.
Mein Vater heißt Jorge, ist Metzgerssohn, handwerklich überbegabt, arbeitet bei „Vision Mundial“ (World Vision), der größten christlichen Hilfsorganisation der Welt! Nebenbei ist er aber noch Camionetta Fahrer, eine Art Taxifahrer für abgelegene Orte.
Daneben habe ich noch drei Gastbrüder, Samuel (3 Jahre), Homero – zu Englisch Homer (11 Jahre) und Jorge (13 Jahre), wobei ich Homero auf meiner Schule in der siebten Klasse in Englisch unterrichte.
Zudem wohnen, ebenfalls in Tixán, meine Gastgroßeltern, die schon wirklich sehr alt sind. Sie haben eine kleine Tienda (eine Art Kiosk) am Dorfrand und verkaufen vor allem Teigwaren.
Abends fragte ich meine beiden älteren Gastbrüder, mit denen ich mir ein Zimmer teile, warum sie denn in einem Bett schlafen, obwohl doch die obere Liegefläche des Hochbetts frei sei. Die Antwort fiel kurz und präzise aus: „Weil wir uns lieben!“ – Das erklärt, so denke ich, die allgemeine Grundstimmung und Herzlichkeit in meiner Familie!
Am nächsten Morgen, der erste Schultag, klingelte der Wecker um sechs Uhr, und gemäß meiner Tradition und Gewohnheiten aus Deutschland, verschlief ich natürlich! Auch mein geplanter Lauf zur Schule, um wenigstens zwei Minuten gut zu machen, verkam auf 3200 Metern Höhe zu einem Kurzsprint, den Rest des Weges legte ich dafür in doppelt so langer Zeit wie sonst üblich zurück.
Auf dem Schulhof versammelten sich, nach anderthalb Stunden Einschreibungen der neuen Schüler, alle Eltern, Lehrer und Kinder, in Reih und Glied aufgestellt, auf dem Schulhof. Begleitet von Akkordeon und inbrünstig schnaufenden Lehrern wurde die Nationalhymne gesungen und die Flagge gehisst. Danach wurden die Tagespunkte vorgelesen und abgearbeitet. Ein Punkt stellte die Begrüßung der neuen Lehrer dar, also mich und eine andere Lehrerin, die, mit Verlaub, einer osteuropäischen  Kugelstoßerin gleicht – aber das ist ein anderes Thema und unwichtig!
Jedenfalls fing diese Dame plötzlich an, eine Dankesrede durchs Mikrofon zu posaunen, und ich konnte eins und eins zusammenzählen, dass spätestens in 30 Sekunden das Mikro in meiner Hand landen würde und ich, aus dem Stehgreif, eine Rede auf Spanisch halten werde – und genau so kam es natürlich auch… Alle Schüler, Lehrer und Eltern starrten mich an und erwarteten meine ersten Worte, also blieb mir nichts anderes übrig, als zu sprechen, irgendwas, wie auch immer! Doch scheinbar genügte meine Sechs-Sekunden-Rede, voller Fehler und Stotterer, um einen, wenn auch zurückhaltenden, Applaus auszulösen – damit konnte der Tag ja nur noch besser werden!
In der ersten Schulwoche hatte ich das Glück, hospitieren zu dürfen, um überhaupt erst einmal einen Einblick in diesen doch ganz anderen Schulalltag zu erhalten.
Nach meiner druckreifen Rede, ging es also in die Klassen. Doch damit begann keineswegs der Unterricht, sondern alle Kinder stürzten sich auf mich, fassten mich an und fragten mich alle gleichzeitig andere Dinge, während der Lehrer sporadisch die Klasse verließ und wieder betrat. Was für ein Chaos, was für eine Lautstärke, ich brauche einen schalldichten Panikraum!
Meine Hoffnung, dass dieses zeitweilige Verlassen der Klassen der Lehrer auf die Einschreibung des ersten Tages zurückzuführen sei, bestätigte sich leider im Laufe der kommenden Woche nicht!
Die eindrucksvollste Szene diesbezüglich ereignete sich am Donnerstag dieser Woche. Ich besuchte an diesem Tag die vierte Klasse, bis Marianne, die Klassenlehrerin, zu mir sagte, sie käme in ein paar Minuten wieder, denn sie hätte was zu klären. Soweit nichts Ungewöhnliches. Doch als eine halbe Stunde verging und das Klassenzimmer von den Kindern kurzerhand in einen Fußball- und Leichtathletiksaal umfunktioniert wurde, bekam ich doch Bedenken, was es mit all dem letztlich auf sich hat, als just in dem Moment alle Lehrer geschlossen hintereinander, in reger Diskussion, an meinem Fenster vorbeiliefen. Im Umkehrschluss hieß das, dass in keiner einzigen Klasse, seit einer halbe Stunde, auch nur ein Lehrer ist. Als ich sah, dass alle Lehrer das Schultor hinter sich ließen, um die Schule zu verlassen, trieb mich nun doch meine Neugierde!
Also um die Ecke geschaut, und was erwartete mich..? Ein Minibus, vollgestopft mit Decken und Plumeaus, und um den Kofferraum versammelt, alle Lehrer der Schule. Mit prüfendem Blick und professionell anmutenden Handgriffen, zur Einschätzung der Qualität dieser Decken, diskutierten meine „Kollegen“, wohlgemerkt alles während des Unterrichts, über Farben, Muster und Einsatzorte. Auf einen kurzen, gut gemeinten Hinweis der Verkäuferin, in wie vielen verschiedenen Situationen man diese einmalig guten Decken doch verwenden könne, fiel einem Lehrer ein, dass sich seine Frau bestimmt auch über eine Decke freuen würde – doch was war noch gleich ihre Lieblingsfarbe?
Spätestens hier wurde mir das Ganze zu bunt, ich packte meine Sachen, während die Lehrer mit der Verkäuferin Handynummern austauschten, und ging entschlossenen Weges nach Hause; das kann doch wirklich nicht deren ernst sein, oder?!?
Weitere Highlights dieser Tixán-Woche: Der Hund pinkelt mir vor mein Bett (irgendwas muss ich an mir haben, dass bis jetzt alle Hunde von jeder meiner Gastfamilien vor mein Bett pissen), ich habe meinen ersten Floh, wobei meine Gastmama davon überzeugt ist, dass ich sie aus Deutschland mitgebracht habe, „Vier Gewinnt“ ist DAS gesellschaftliche Event abends!
Zurück in Riobamba erwartete uns samstags erst einmal eine dicke Überraschung: Wir haben weder Strom noch Wasser! Doch unerwarteter Weise lag es nicht daran, dass wir die Rechnung nicht gezahlt hatten, sondern woran auch immer. Jedenfalls begleitete uns dieser Zustand geschlagene zwei Wochen lang. Erkenntnis: Man kann ohne Wasser, aber vor allem ohne Strom leben, muss es aber nicht…
Außerdem gingen wir Arbeitsblätter für die Kinder kopieren. Ich brauchte insgesamt 300 Kopien, der Verkäufer nickte und nahm mir die Blätter aus der Hand. Als er dann jedoch anfing zu kopieren, und ich sah, dass es sich um einen Tintenstrahldrucker handelte, der für eine Seite ca. 20 Sekunden braucht, verging mir die gute Laune ganz schnell und der eigentlich kurze Kopierausflug gestaltet sich zu einem Tagesevent. Unglaubliche zwei Stunden später konnte ich meine Blätter dann abholen, naja, zumindest 2/3, denn bedauerlicherweise sind zwischenzeitlich die Patronen leer geworden!

1 Kommentar:

  1. haha boy hatn floooh :D viel spaß dir noch und komm gesund wieder :* und lass mal öfters was von dir hören:)

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