Mittwoch, 19. September 2012

Schnupperstunden, white sensation


Der Verlust ist vergessen, Ballast abgeworfen, es muss etwas Neues her!
Am 29.08, ein Mittwoch, ging es das erste Mal in die Communidades (Gemeinden). Ein großer Moment für uns alle, wir werden unsere Dörfer und Gastfamilien das erste Mal kennenlernen, mit denen wir immerhin ein Jahr unseres Lebens verbringen werden!
Den ganzen Tag lang fuhren wir mit einem Pick-up durch alle Gemeinden, es war toll, Hannah musste sogar vor lauter Gefühlschaos weinen: Fast ein Jahr haben wir auf diesen Moment gewartet, nun ist er da!
Der Empfang in meiner Gemeinde Tixán war sehr herzlich und nett, es gab spontan einen kleinen Willkommensbrunch und alle waren sehr offen und freuten sich – wie wir auch :)
Meine ersten Eindrücke von Tixán: hübsch, freundlich, genau richtig!

Tixán

Kleine Pause zwischendurch

v.r.n.l: Judith, Mario, Hannah, ich

Ein Weg in Tixán

Danach ging es nach Llallanag, meiner zweiten Gemeinde. Meine Gastoma lud uns alle erst einmal zu einem Tee und Obst ein, obwohl sie selber kaum etwas hat.
Meine ersten Eindrücke von Llallanag: klein, toller Ausblick, idyllisch, schmutzig, super süße Oma, ich bin zu groß für das Haus!

Llallanag: Der Betonplatz in der Mitte ist der Schulhof



Zu guter Letzt entschlossen wir uns, den Weg von Llallanag nach Tixán zu laufen, also eben den Weg, den ich in Zukunft mindestens zwei Mal die Woche gehen werden muss. Auf der Mitte der Strecke knickte Hannah um und konnte nicht mehr laufen, doch wir mussten ja irgendwie vorwärts kommen! Philippa und Mario opferten sich und trugen sie ein Stückchen huckepack, bis wie gerufen ein Auto vorbeikam, und sie mitnahm nach Tixán.


Für uns hieß es währenddessen weiterlaufen! Als es dann wieder bergauf ging, war ganz schnell Schluss für mich: Die Höhe und die Sonne machten mich fertig, ich konnte einfach nicht mehr weiter. Zu allem Übel merkte ich auch noch, dass meine Wanderschuhe zu groß sind und ich einfach null Kondition habe. Das kann ja was werden, jede Woche zwei Mal diese Strecke – und der Rückweg ist noch anstrengender; Läuft!

Nachdem ich mich von den Strapazen dieses Mittwochs erholt hatte, ging es zwei Tage später auf einen traditionellen Markt, der nur von Indigenen besucht wird. Und tatsächlich waren wir die einzigen Weißen weit und breit, selbst Mestizen, also Ecuadorianer mit sowohl Europäern, als auch Indigenen Vorfahren, waren kaum zu sehen. Nur wir und ein deutsches Kamerateam verirrten sich hierhin, nach Guamote. Dementsprechend wurden wir auch behandelt und gesehen: Als eine seltene Attraktion. Jeder starrte uns an, als seien wir exotische Wesen von einem anderen Stern, und schauten uns minutenlang hinterher; selbst Zootiere genießen mehr Privatsphäre als wir auf diesem Markt! An vielen Markständen wurde uns nur mit Englisch oder sogar mit Zeichensprache geantwortet, obwohl wir etwas auf Spanisch gefragt hatten. Muss das sein?





Guamote

Als wir so über den Markt schlenderten, der übrigens sehr schön und beeindruckend ist und sich über die ganze Stadt zieht, sah ich eine Menschentraube von circa 20 Menschen um einen Mann stehen, der lautstark versuchte, etwas zu verkaufen. Ich wollte nur einen kurzen Blick erhaschen, was er verkauft. Als er mich jedoch schon ankommen sah, unterbrach er seinen Vortrag und fragt mich, woher ich denn käme. Gefühlt der halbe Markt starrte mich an und erwartete eine Antwort. Ich glaube, selten habe ich mich so unwohl und fehl am Platz gefühlt. Mit entsprechend gemischten Gefühlen verließen wir Guamote. Zudem erzählte mir Mario noch, dass mir auf dem Markt ein kleiner Junge unter meine Jacke gegriffen hatte. War das nun Neugierde oder ein versuchter Diebstahl? Ich weiß es nicht, nur, dass ich mich immer unwohler fühle. Ich werde immer fremd und besonders sein hier, und das lässt sich auch niemals ändern! Eine ernüchternde Erkenntnis, die jedoch vermutlich der Wahrheit entspricht.

Ooh oh, Im an alien, Im a legal alien, Im a German man in Guamote!

Lamas ohne Hüte, Pferde ohne Hüte, wo ist mein Hut?


In Cayambe, circa anderthalb Stunden nördlich von Quito, erwartete uns also das Einführungsseminar. Unser Hostal  „Mitad Del Mundo“ (durch Cayambe verläuft ziemlich genau der Äquator, daher der Name) glich eher einem Zoo, als einer Schlafgelegenheit: Jeden Morgen und Abend machten sich circa 25 Kanarienvögel und einige Hunde der Umgebung lautstark bemerkbar, sodass schlafen nur tief in der Nacht möglich war – sofern nicht einige besoffene andere Hostalgäste meinten, nachts um zwei Betten und Schränke durch den Flur schieben zu müssen – aber ich will mich ja nicht beschweren, immerhin war es sauber und nett eingerichtet, wobei das Frühstück, mich zumindest, nicht überzeugte.

Zu Cayambe an sich lässt sich nicht viel sagen, eine typische ecuadorianische Kleinstadt der „Sierra“ (Berggebiet), umgeben von riesigen Vulkanen und einer spektakulären Landschaft, wobei der Stadtkern selber nicht zu glänzen weiß. Trotzdem boten sich zwei Lichtblicke, wenn auch kulinarischer Art: Das war erstens ein Oreo-Eis und zweitens das großartige Restaurant „Café Aroma“, geführt von einem Österreicher. Hier bekamen wir einmal nicht nur Reis mit Hühnchen, sondern Salat, echte Fleischstücke oder andere europäische Sachen – das entspricht zwar nicht ganz der Idee eines Auslandsaufenthaltes, aber es tat einfach nur gut!

Strassenbild in Cayambe

Das Seminar an sich bot nicht viel Neues an nüchternen Informationen, sondern diente eher noch einmal der Einstimmung auf dieses, doch immer noch, fremde Land. Dazu gehörten zum Beispiel ein toller Nachmittag auf der Finka unserer Seminarleiterin...

Auf dem Weg zur Finka - tasächlich haben alle draufgepasst! 

Privater "Teich"

Und immer grüssen die Berge!


Harte Arbeit auf der Finka

... oder ein interessanter Ausflug zu einer religiösen Kultstätte aus der Vor-Inka Zeit, inklusive meines ersten Zusammentreffens mit Lamas – echt lustige Tiere!

Bushhunters - Auf, zu den Lamas!

Im Hintergrund: Quito



Ein Schönling




Man beachte: Zwei verschiedene Augenfarben!
Behind the scenes.

Ja, zeitweilig lag ich unter dem Lama...



Da staune ich nicht schlecht!

Zu Ende des Seminars gingen wir alle zusammen reiten, für 15 Dollar wurden wir durch die Berge um Cayambe geführt und bekamen sogar eine Führung in den Urwald zu einem kleinen Wasserfall, während sich die Pferde erholen konnten. Dabei bewährte es sich doch das ein oder andere Mal, dass ich bereits reiten konnte, zum Beispiel, als mein Pferd spontan in den Jagd-Galopp wechseln wollte! Sowieso war mein Pferd weniger auf meine Kommandos, sondern vielmehr auf Hannahs Pferd konzentriert, denn die beiden waren verliebt und durften sich nicht aus den Augen verlieren, ansonsten gab es Stress und die Lücke musste so schnell wie möglich geschlossen werden,  notfalls auch im eben erwähnten Jagd-Galopp. Außerdem konnte es einfach nicht genug fressen – da haben sich ja zwei gefunden…

Pferde in love!

Der zweite von links bin ich

Unfall

Zu Ross




Ein Kind der Familie, der die Pferde gehören

Urwald






Zwei Tage nach diesem grandiosen Ausritt erwischte es mich heftig: Marlene, eine andere Volontärin, und ich wurden ganz schön übel krank, sodass die geplante Reise nach Riobamba spontan verschoben werden musste. Nach anderthalb Tagen war aber alles wieder gut.
Notiz an mich: Nicht mehr in irgendwelchen Hinterhöfen essen gehen!

Wo ist mein Hut? Und mein Pulli? Wo ist der schwarze Seesack?
Nachdem ich die achtstündige Busreise nach Riobamba gut überstanden hatte, fehlte nach der Ankunft in unserer WG Wohnung plötzlich der schwarze Sack, indem sich ungefähr  1/3 meiner Sachen befand. Rekonstruktionen besagen, dass wir den Sack schön brav über hunderte Kilometer mitgeschleppt hatten und nun in Riobamba, im Taxi zur WG, vergessen haben – das muss uns erst einmal einer nachmachen!
Nein wirklich, das hat mich die ersten Tage richtig fertig gemacht, da ich nun tatsächlich all meine Pullis und warmen Sachen verloren habe - Und ich fror sehr in den darauffolgenden Tagen! Kein Versuch half, meine Sachen wiederzufinden, noch nicht einmal die Polizeichefin der Provinz „Chimborazo“ konnte meine Sachen zurückholen. Dann muss ich mich wohl damit abfinden, zumindest habe ich ja noch mehr als die Hälfte ;)