Mittwoch, 15. Mai 2013

Kulinarisches Ecuador


Döner, Currywürste, Vollkornbrötchen, Bärlauch-Ziegenkäse, Apfeltaschen, Mozartkugeln und Apfelschorle fliegen durch den Raum. Es ist wunderschön. Dort eine Salami, hier Büffelmozzarella und frische Alpenmilch und ein bisschen zerkochtes Trockenfleisch mit Mote; Moment, Trockenfleisch, Mote? Ich bin verwirrt, wache auf und ein feiner, jedoch beißender Geruch, der sofort Übelkeit in mir hervorruft strömt durch das offen stehende Fenster im Bus. Ich blicke heraus und sehe, dass wir direkt neben einer der typische Straßenverkaufsstände gehalten haben, die diese ecuadorianischen Speisen verkaufen.
Mit exakt diesem Mittagessen hatte ich in meinem ersten Monat in Ecuador schon mein Vergnügen gehabt, die Folge war Brechdurchfall und Fieberwahn.

Nomnomnomnom

Das Potential, aus all den vorhandenen Lebensmitteln in Ecuador etwas Großartiges zu kreieren ist enorm! Besonders der unüberblickbare Reichtum an frischem Obst und Gemüse auf den Märkten verschlägt mir noch immer die Sprache. Früchte, die selbst der routinierteste „ZDF-Traumschiff“ Zuschauer noch nicht gesehen hat und das zu einem Preis, bei dem jeder deutsche Konsument Tränen in die Augen bekommt.

Eine Mango für zwischendurch!

„30 Mangos, 30 Orangen für einen Dollar, 40 Mandarinen ein Dollar oder acht Avocados, ebenfalls ein US-Döllarchen“ tönt es lautstark aus einem auf dem Dach eines Lieferwagens befestigten Megaphons.
Erdbeeren, Kirschen, Orangen und etliche andere Früchte gibt es ganzjährig. Aus all diesen Früchten werden die exotischsten Kreationen an frischen Säften hergestellt, wie etwa Kaktusfrucht mit Baumtomate, die man an jeder Ecke zwischen 25 Cent bis 1,50 Dollar bekommt.

Katalogreif


Mercado San Alfonso - Riobamba
Nein, das Kind war nicht zu verkaufen!

Doch die größte Vielfalt bieten Bananen. Ecuador ist eine Bananenrepublik – nicht um sonst stammt der Ausdruck hierher. Es gibt riesige grüne Bananen (verdes), um Empanadas oder Suppe zu machen, große überreif aussehende Kochbananen (maduros), die man brät oder Kocht und einen süßlichen Geschmack haben, normale Bananen, die wir auch aus Deutschland kennen, Babybananen (Oritos), von denen man schon 20 Stück für 50Cent bekommt oder dicke, rote Bananen (rojos), die meiner Meinung nach den intensivsten Geschmack aller süßen Sorten haben.


Oritos!

Doch wovon ernähren sich die Ecuadorianer hauptsächlich, gibt es eine Nationalspeise? Nun, natürlich ist dies differenziert zu Betrachten und unterscheidet sich von der einen zur anderen Familie, und doch darf, egal ob zu Hause oder in Restaurants niemals eine Koriandersuppe fehlen. Nicht, dass es wirklich eine Koriandersuppe gäbe, doch ich pflege sie so zu bezeichnen, denn in ALLEN Suppen, die man serviert bekommt, ist Koriander, das jeglichen anderen Geschmack gnadenlos eliminiert. So schmeckt eine Linsensuppe genau wie eine Kartoffel-, Gemüse- oder Maissuppe. Und ich habe bis jetzt kaum einmal eine Hand voll Freiwilliger getroffen, die das mögen; ich gehöre nicht dazu.

Aufstehn', Frühstück!
Ein Strassenverkäufer mit Pinchos (Fleischspiessen). Für 60ct. ziemlich lecker!
Ecuadorianer (und ich mitlerweile auch) sind Eissüchtig - hier kaufen sich meine Schüler eine Chocobanana
In vielen Familien auf dem Land wird mit Feuer gekocht. Nebeneffekt: Es wärmt!

Neben den Almuerzos (Mittagessen, meist für 1,50$ mit Saft und Suppe), gibt es an jeder Ecke einen Schnellimbiss, was mein Mülheimer Herz natürlich aufblühen lässt. Dort werden Pommes, Burger oder Hot-Dogs verkauft, ziemlich westlicher Fraß also; aber lecker! Leichte Irritation kam auf, als unser Stamm-Burgerladen in der Hauptstadt Quito plötzlich geschlossen hatte, und ein riesiges Schild des Gesundheitsamts auf dem Rollladen klebte. Auweia, wenn selbst in Ecuador ein Gesundheitsamt etwas schließen muss…
Mein Mitbewohner Mario fand auf Anhieb die passende Pose:

Huuuuuaaaaahhh
  Ein letzter Schocker für unsere vorurteilsgeprägten Mitmenschen in Deutschland die denken, die Menschen hier ernährten sich nur von Insekten oder rohem, selbstgefangenen Fleisch: Eine kulinarische Spezialität, verbreitet in der ganzen Sierra, ist gegrilltes Meerschweinchen. Das unvergessliche Bild, wie im mit Blut und Wasser gefüllten Spülbecken vor meine Gastschwester drei tote und gehäutete Meerschweinchen treiben, und sie sie Wäscht und aufschneidet, wobei alle Gedärme herausquellen und glitschigen Viecher gleichzeitig in dieser Brühe wie Bojen treiben, unaufhörlich an den Beckenrand knallend, ja, dieses Bild wird mich noch lange begleiten. Aber man muss sagen, lecker sind sie, und zudem sehr Protein- und Fettreich.

Die Tiere leben oft mit in der Küche - so ist der Weg in den Kochtopf kürzer.

Man erahnt das Schicksal
Anleitung, how to prepare pork:

Schritt eins, Schwein fesseln. 

Schritt zwei, töten und im Bach waschen. 

Schritt drei, wenns' nix anderes gibt, mit einem Bunsenbrenner braten...

... während die hungrige Meute schon wartet.

Zuletzt gibt es auch regionale Unterschiede. So gehen die Menschen im Norden des Landes, während des deutschen Herbst, auf Gazzo-jagt, was nichts anderes heißt, als große fliegende Käfer nachts zu fangen, um sie später gebraten zu genießen. Meine Gastfamilie, die wir in der Mitte des Landes leben, runzelte darüber nur die Stirn, genauso wie darüber, dass im Süden des Landes Esel und Hunde gegessen werden. Wie auf der ganzen Welt, so unterscheiden sich selbst innerhalb Ecuadors die Geschmäcker. So rufe ich zu Toleranz und Neugierde auf, auch, wenn ich mich an Hühnerfüße, Schafsköpfe oder Schweinehaut in der Suppe noch immer nicht so wirklich gewöhnt habe.

Lecker Hühnerfuss - immerhin wird alles verwertet und nichts weggeschmissen!

Lino und andere Freiwillige in Action:

Mitfreiwillige Judith in meiner Familie...

... unser Vorhaben: Gewürzspekulatiusparfait zu Weihnachten.

Und es hat funktioniert!
Ein deutsches Abendessen mit Marlens Gastfamilie. 

Kartoffelhacken mit Marlens Familie...
... eine anstrengende Arbeit, besonders, wenn man ständig den Kuhfladen der Kuh "Gringa" (im Hintergrund) ausweichen muss. Mich erwischte es zwei Mal!

Einige Freiwillige imitieren instinktiv Tiere, wenn sie bestimmte Lebensmittel vor sich sehen. 

1 Kommentar:

  1. Lino ,
    vielleicht solltest du, unter dieser ausergewöhnlichen proteinreichen Umgebung, hier eine Kochsendung kreiren.
    Vor allem die Nummer mit den Meerschweinchen würde vielleicht auch in Kombination mit "Ein Platz für Tiere" ungewöhnliche Sendeformate bedienen, wenn sie am Anfang der Sendung noch suchend durch den Bildschirm laufen.

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