Donnerstag, 16. August 2012

Lebenszeichen aus Quito


Endlich schaffe ich es, Euch etwas zu schreiben. Fangen wir von vorne an:
Am 10.8., nach ungefähr 22 Stunden Reisezeit, ist es nun soweit: Lino ist in Ecuador, endlich!

10h nach Atlanta

Um 10:15 ging der Flieger, die Stunden davor waren der reinste Horror. Aufregung, gepaart mit Abschiedsschmerz und Stress waren eine höllische Mischung.
Nichts gegessen, nichts getrunken, im Wirrwarr der Gefühle und den Weiten des Frankfurter Flughafens ging es mit Delta Airlines nach Atlanta (USA).


In Atlanta bestätigte sich mein Klischee behaftetes Bild von Amerika und das, obwohl ich noch nie dort gewesen bin: Es ist der reinste Irrsinn.
Begrüßt wurden wir bereits im Flugzeug, der Zoll verlangte all unsere Daten und Beweggründe unseres Umstieges.
Nach dem Ausstieg ging es, unter Beobachtung etlicher Polizisten, zur Passkontrolle. Hier wurden unsere Fingerabdrücke gescannt und die Augen fotografiert. Dazu gab’s noch ein Interview, warum ich was, mit wem in Ecuador machen werde und wer das ganze überhaupt bezahlt - Nur zur Erinnerung: Wir stiegen lediglich in ein anderes Flugzeug und hätten noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt, amerikanischen Boden zu betreten.
Daraufhin ging es zu einer weiteren Zollkontrolle und anschließend zur Gepäck- und Körperkontrolle. Auffällig viele Sicherheitsangestellte säumten den eingezeichneten Gang, dass auch ja keiner vom rechten Weg abkommen möge. Diese Sicherheitsangestellte standen im Abstand von 15 bis 20 Metern und leierten immer und immer wieder ungefragt die gleichen Sätze herunter: "Go ahead", "Don`t stop walking" oder "You will need your passport soon". Meine Gedanken: Der Mensch als Ware in einer Masse unter totaler Kontrolle - Eine wahrgewordene Distopie!
Trotzdem schafften wir es unbeschadet durch die nächsten Kontrollen, inklusive des in Deutschland viel diskutierten "Nacktscanners". Unser Flug nach Quito hatte dann, aufgrund eines Unwetters, 2h Verspätung, sodass uns noch viel Zeit blieb und wir countdownartig den Durchsagen des Piloten folgten: "Wir haben Startnummer 18", und eine halbe Stunde später: "Jetzt sind nur noch 12 Flugzeuge vor uns dran".
Im Flugzeug nach Quito hieß es warten, warten, warten

Gegen 2 Uhr Nachts ecuadorianischer Zeit, also 9 Uhr morgens in Deutschland, kamen wir endlich an. Am Flughafen warteten auch schon ungeduldig viele andere Freiwillige, Koordinatoren und sogar meine vermutliche Gastmama für Llallanag, die extra den weiten Weg aus Riobamba auf sich nahm, um mich zu sehen - eine zuckersüße und herzensgute Person, das Jahr kann ja nur noch gut werden!
Vom Flughafen aus ging es dann mit einem Taxi der besonderen Art zu unserem Hostal. Wir wurden samt Rucksäcken auf die Ladefläche eines Pick-ups verladen und fuhren dann mit bis zu 70 km/h durch das nächtliche Quito. Ja, wir waren angekommen :)

Die beste Autofahrt meines Lebens, mit Wiebke und Frans

Am nächsten Morgen, der Nationalfeiertag in Ecuador, zogen wir in ein anderes Hostal ("Blue House"), wo wir nun zu neunt wohnen. Es ist ein bisschen dreckig, und das Foto meines "Bettes" bedarf denke ich keiner weiteren Erklärung - eine schreckliche Nacht! Zum Anlass des 22. Geburtstages von Philippa, eine ehemalige Freiwillige, ging es zu einer ecuadorianischen Familie. Wir fuhren ziemlich weit außerhalb der Stadt, und ziemlich schnell verlor die Stadt ihren touristischen Glanz. Müll, neben kurvigen und lauten Straßen, und auch das Publikum änderte sich. Hinter einem großen Tor verbargen sich dann ein großer Hinterhof und die ganze große Familie. In der Küche saß die Oma und formte für uns alle Kartoffeltaschen. Nach dem Essen wurde Karten gespielt und getanzt, wer verlor, musste von Allen umkreist mit einem Besen tanzen - klar, dass es mich traf, der Tag war gerettet :D

Die ganze Familie, die Dritte von rechts ist Patty, vermutlich meine Gastmama in Llallanag

Nach einer Stunde Verabschiedung und unzähligen Fotos ging es dann ins Hostal, schlafen, endlich!

Der nächste Tag begann unverhofft früh, mein Lattenrost entschloss sich meinem Gewicht nachzugeben und den Gesetzen der Gravitation zu folgen. Auch das Frühstück hob meine Laune nicht, wer italienisches Frühstück kennt, kennt Luxus!

Mein "Bett", ohne Matratze

Der ganze Tag plätscherte vor uns her, wir legten uns in einen der unzähligen Parks in Quito und genossen!

Chillerei im Park

Umso später endete der Tag auch, stundenlang saßen wir zu viert in einer "Reggaebar" und hörten Hip Hop aus den 90ern. Ein Rastamann gab uns 12 Bier und 4 Shots aus, alle waren unglaublich aufgeschlossen und liebenswürdig, wir waren die einzigen Weißen in dem Laden. Der Abend war ein Paradebeispiel für ecuadorianische Gastfreundschaft - in Deutschland undenkbar! Auch einen Tag später zeigten sich die Ecuadorianer von ihrer besten Seite; dazu eine kleine Vorgeschichte: Jeden Sonntag wird in Quito die halbe Innenstadt für Autos gesperrt und zu riesigen Fahrradwegen umfunktioniert. Man hat das Gefühl, die ganze Stadt ist auf Fahrrädern unterwegs, ob alt oder jung, die Begeisterung dafür ist immens. Natürlich konnten auch wir uns dieses Event nicht entgehen lassen und mieteten, wie sich später rausstellen sollte mehr schlechte als rechte, Fahrräder. Eine Fahrradtour auf 3000 Metern Höhe ist echt eine Herausforderung, soviel stand für mich, einen Verfechter der "Sport-ist-Mord" Theorie, nach den ersten Metern bergauf schon fest!

Was für ein Panorama!



Doch zurück zur ecuadorianischen Mentalität: Irgendwann riss bei einem von uns die Fahrradkette, es ist überhaupt ein Wunder, dass sich keiner bei diesen Fahrrädern verletzt hat! Ein anderer einheimischer Fahrradfahrer hielt sofort an und fragte, ob wir Hilfe bräuchten, denn er sei "Maestro". Nach 2 Minuten war die Sache erledigt, wir hatten ein funktionierendes Fahrrad und unser Maestro verabschiedete sich freundlich, ohne auch nur einen Gedanken an eine Gegenleistung zu verschwenden, und verschwand in der Menge der Fahrradfahrer.

Dank des Maestros, kein nennenswertes Problem ;)

2 Kommentare:

  1. Hallo Lino
    Wunderbar das alles so gut geklappt hat.
    Wünsche dir eine inspirierenden Aufenthalt.
    Werde immer wieder mal gespannt auf deine Seite
    schauen. Da ich Blogser bin,
    werde ich als Pseudonym jetzt mit "Blogwart"
    meine Kommentare hinterlegen.

    Alles Gute
    Jürgen

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  2. Super, so machen wir es.
    Hoffe bei dir ist alles beim Alten.
    Danke und liebe Guresse aus Riobamba!

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